Viel mehr als
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Von Adrian Soller
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Ob in der Kirche oder auf der Goa-Party: Wer anderen seine Freundin, seinen Mann, seine Partnerin vorstellt, bekennt sich. Dabei geht es immer um mehr als um Zweisamkeit. Es geht um eine gesellschaftliche Form. Es geht um Bindung und Freiheit – und um die Suche nach deren Gleichgewicht. Ein Paarleben ist ohne diese Suche, die immer etwas Prekäres, etwas Skandalöses hat, wohl nicht zu haben.
Doch wer sich zum Paar bekennt, kann glücklich werden, kann scheitern, kann zweifeln und dann wieder hoffen – das wird in der wunderbaren Fülle an Paargeschichten fassbar, die wir für dieses Heft sammeln konnten. Da ist eine Frau, die das «Traubenzimmer» wieder allein bewohnt – und da ist eine Frau, die es leicht nimmt, als ihr ihr Mann am Strand seine vielen Affären gesteht. Nach Väter-, Geschwister- und Erbgeschichten haben wir dieses Jahr also Paargeschichten gesammelt. Haben unsere Redaktionstüren dafür wieder weit geöffnet: diesmal für eine schöne Zusammenarbeit mit dem Burgdorfer Biografischen Institut, der Meldestelle für Glücksmomente und der IG PEF-Pastoral, dem Zusammenschluss der Deutschschweizer Paar- und Familienseelsorger. Neben all diesen intimen Innensichten in die Herzkammer des Paaralltags schauen wir in diesem Heft auch von aussen auf das Paar. Wir haben mit Schwellenhütern gesprochen. Mit Florian beispielsweise: Der Kellner des «Ochsen» hat während fünf Jahren rund zweihundert Hochzeiten und Streitereien auf dem Parkplatz miterlebt und Fühlung mit Braut und Bräutigam genommen. Wir haben mit dem freien Pfarrer und St.-Pauli-Fan Tobi Rentsch über den Reiz des Unverfügbaren gesprochen, haben ihn gefragt, was Rituale von Gewohnheiten unterscheidet. Und wir haben uns von der Scheidungsanwältin Evelyn Meier-Eichenberger erzählen lassen, wieso sie einen Ehevertrag für romantisch hält und wie man sich gut auch wieder trennt. Mit einem Blick in die Geschichte der Institution Ehe zeigt ERNST zudem, dass diese keineswegs immer selbstverständlich war und errungen werden musste; auch dass Ehe und Paar immer schon Ideen waren, die grösser sind als die Zweisamkeit. Und dass wir gut daran tun, die Ehe auch heute über den Kern der Kleinfamilie hinauszudenken. |