Marias Teppich und Jakobs Himmelsleiter
Text: Ivo Knill
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Glaube, Liebe, Hoffnung: Wo sind sie zu finden? Was helfen sie? So fragt der Essay. Im Essay geht es um das grosse Alles des Lebens, um Einsamkeit, Verbundenheit, um Freiheit, Verantwortung und Glück. Wer einen Essay schreibt, nimmt den Stift in die Hand und bricht auf. Denn ein Essay ist, wie Siri Hustvedt sagt, immer eine Reise. Immer ein Aufbruch, eine Erkundung, ein Weg, der dadurch entsteht, dass man ihn geht. Wenn man ihn geht, kann man auf verblüffende Einsichten kommen. So ging es dem Mann, der den Essay als Form des Denkens beim Schreiben erfunden hat: Michel de Montaigne. Als er über die Wut nachdachte, kam er verblüfft zur Erkenntnis, dass sie auch ihr Gutes hat. Man kann sie, wenn sie schon in einem aufsteigt, nutzen, um eine längst anstehende Zurechtweisung an die Dienerschaft mit dem nötigen Nachdruck zu versehen. Vielleicht haben sie ja im Schloss des adligen Herrn die Teppiche und Böden nicht ordentlich geputzt? Das wäre jetzt ein Sprung ins Thema, denn in diesem Essay geht es um den Teppich. Und mit Michel de Montaigne wären wir in der frühen Neuzeit gelandet, beim Teppich, wie er als reich gewirktes Bild in den Schlössern der Adligen hing und über Schlachten und Siege Auskunft gab.
Die flimmernde Luft Aber bei mir beginnt alles, was mit Teppich zu tun hat, ganz anders, nämlich in der Stube meiner Kindheit. Da lag ich und spielte. Über mir das Büchergestell, das die ganze Wand ausfüllte. Auf den Regalen standen schwere Bücher über die Kulturgeschichte und die gesammelten Ausgaben der Technikzeitschrift, die über Autoscheinwerfer und Staudämme berichtete. Die Gestelle umrahmten den Schrank in der Mitte mit dem Fernseher. Mit einem Holzrollo konnte er verdeckt und abgeschlossen werden. Und das taten die Eltern, wenn sie beide weggingen, was allerdings selten der Fall war. Noch während der weisse Dodge oder vorher der graue Chevy über die Strasse vor dem Haus wegfuhr, traten meine grossen Brüder in Aktion. Franco zückte den Dietrich, den er aus einem Nagel gebogen und zurechtgeschliffen hatte, Paolo montierte einen Draht als Antenne, und wir alle setzten uns vor den Fernseher und liessen ihn in schwarzweiss heisslaufen. Das Kind, an das ich mich erinnere, liegt jetzt alleine in der Stube. Ich spiele auf dem Teppich vor dem Fernseher. Aber nicht er ist mein Fenster zur Welt, auch nicht die Bücher im Gestell. Der Teppich ist es, der mich weit weg entführt. Ich habe ihn zur Dünenlandschaft aufgefaltet. In der Hitze flimmert die Luft. Meine Autos kämpfen sich durch den Sand. Mühsam kommen sie vorwärts, aber sie schaffen es, die Wellen aus Sand zu bezwingen. Ich spüre den Schweiss, der dem Fahrer von der Stirn rinnt. Ich bin auf Expedition. Mit einem Handgriff wechsle ich die Szenerie. Ich schiebe Kartonschachteln unter den Teppich und lasse ihn zum Gebirge wachsen. Meine Autos erklimmen jetzt die Bergflanken. Gefährlich ist die Steigung, gefährlich sind die Kurven. Ich aber bin ganz ins Spiel versunken, ganz gegenwärtig und zugleich auf grosser Reise. Das ist der Teppich meiner Kindheit. Jetzt, Jahrzehnte später, sitze ich an meinem Schreibtisch. Ich brauche nur einen Blick auf den Boden zu werfen, um zu erkennen, dass er noch immer da ist: der Teppich meiner Kindheit. Nicht genau derselbe Teppich, aber fast. Im Zimmer, in dem ich arbeite, liegt ein Teppich, der die gleiche Farbe und die gleichen Muster hat wie der Teppich meiner Kindheit. Er ist nicht so dick und schon etwas durchgetreten. Aber er ist rot. An beiden Seiten hat er weisse Fransen. Um den Rand läuft ein Muster aus Blumenornamenten auf weissem Grund. Bahnen von Blüten und Rhomben begleiten es und fassen den Teppich rundum ein. Die grosse Fläche in der Mitte aber ist ein Paradiesgarten. Auf sattem Rot wiederholt sich ein vielfarbiges Muster. Büsche könnten es sein, in denen köstliche Früchte wachsen. Der Teppich ist ein Garten der Sinne. Seine Farben machen mich froh. Jetzt, da ich ihn betrachte, steigt in mir die Ahnung vom Untergründigen auf, dem ich folge, ohne es zu wissen. Ich weiss nicht wie ich zu diesem Teppich gekommen bin, was mich bei der Auswahl geleitet hat, in welchem Brockenhaus ich fündig wurde, ob er gerollt, aufgehängt oder auf dem dicken Stapel von Teppichen zur Auswahl stand: Jedenfalls habe ich ihn gekauft und auf die durchgetretenen Dielen in meinem Arbeitszimmer gelegt. Und jetzt erinnert er mich an meine Kindheit. Marias Teppich Ein zweiter Teppich dieser Art liegt in meinem Schlafzimmer. Er lässt mich an meinen Urgrossvater denken. Johann Jakob Sennhauser, der, so stelle ich es mir vor, an einem windigen, aber noch warmen Herbsttag im Jahr 1874 in weissem Hemd und Gilet auf dem Bahndamm stand. Die Jacke trug er über dem Arm, neben ihm stand der Koffer, der ihn auf seiner Reise über die Alpen in den Süden begleiten würde. Hemden waren darin, ein Etui mit Griffeln. Die Ärmelschoner des Buchhalters. In der Brusttasche der Jacke steckte das Billett und ein Brief mit der Empfehlung an eine Adresse in Bergamo. Da würde er vorsprechen, wenn er die Reise über die Pässe gemacht hätte, würde klingeln, würde einen Platz im Bureau angewiesen bekommen und würde noch am Tag seiner Ankunft lange Zahlenreihen addieren. So stelle ich es mir vor. In den Strassen Bergamos würde ihm eine junge Frau auffallen, sie würden sich verlieben, sie würden heiraten und mehr als ein Dutzend Kinder haben. Er, der gemachte Mann und Buchhalter, sie die fünfzehn Jahre jüngere Frau. Das zehnte oder elfte Kind, das in der Wiege hinter dem dicken Vorhang schlief, wurde mein Grossvater, der im Jahre 1921 wiederum eine italienische Frau heiratete. Sechs Töchter entsprangen dieser Ehe, die schönste und lebhafteste wurde meine Mutter, die älteste der sechs war meine Tante, Zia Maria. Sie blieb, als mein Grossvater mit seinen sechs Töchtern in die Schweiz kam, unverheiratet. Sie wohnte mit dem Grossvater in der Wohnung in St. Gallen. Kanarienvögel gab es in der Wohnung, und sie war ihr Leben lang Näherin. Zia Maria: Von ihr erbte ich den roten Teppich in meinem Schlafzimmer. Und wenn ich nicht schlafen kann und mich drehe und wende in meinem Bett, dann kann ich an sie denken und an den Koffer meines Urgrossvaters und seinen Zug um die Musterbahnen des Teppichs fahren lassen; sie aber tritt in die Pedale ihrer Nähmaschine. Der Stein am Grund In meinen Teppichen wohnt Staub, Zeit und die Erinnerung. Die Welt wohnt in meinem Teppich, katholisch rumort es aus den italienischen Falten, orientalisch leuchtet das Muster, und ich denke mir Gewürzkammern, in denen Wurzeln und Steine und zähe Säfte lagern, aus denen die Farbe gewonnen wird, in die man seine Wolle tauchte und die mich bis heute betören. Zwischen Öllampen, Tüchern und Teppichen lagern sie, und es duftet nach Harz und Zimt. Zia Maria, der dieser Teppich früher gehörte, träumte in ihren letzten Lebensmonaten von einem Priester, der um ihr Bett schlich. Es könnte ihr Onkel Agostino gewesen sein. Ob Furcht und Schrecken in ihren Träumen lag oder eine heilige Ahnung, konnten wir nicht herausfinden. Neben meinem Bett liegt ein grosser Stein. Wenn ich nicht schlafen kann, lege ich meine Gedanken auf ihn ab. Nur selten denke ich an Zia Maria, aber fast immer frage ich mich, ob ich mir einen Gott wünsche, denn alleine will ich mein Glück und mein Unglück nicht tragen. Es müsste etwas sein, das über mich hinausgeht, das über mein kurzes Dasein in dieser Welt hinausgewoben ist. Ich lege Gedanken um Gedanken auf meinen Stein neben dem Bett. Wieso nicht der Teppich meiner Kindheit und Zia Marias Erbstück? Nein, sicher nicht als Gott: Aber vielleicht als Jakobsleiter zu den Engeln? Denn davon wird ja berichtet, wie Jakob auf seiner Flucht an einen Ort kam, wo ihm der Himmel aufging. «Er kam an einen bestimmten Ort und übernachtete dort, denn die Sonne war untergegangen. Er nahm einen von den Steinen dieses Ortes, legte ihn unter seinen Kopf und schlief dort ein.» Im Schlaf aber, so wird erzählt, sah er, Jakob, der Trickser, wie er auch genannt wird, vor sich eine Leiter zum Himmel aufsteigen, auf der Engel auf und niederstiegen. Andere Überlieferungen sehen die Reihe der Ahnen die Leiter hoch und niedersteigen, und das würde dann wörtlich und namentlich passen, denn unversehens sind sie alle da: mein Urgrossvater, Johann Jakob Sennhauser, der Mann mit dem Koffer, der in Bergamo Antonia Angelica Rotta zu seiner Frau fand. Grossvater Thomas, der Grossvater in der Wiege hinter dem Vorhang, Paolina Azzola, meine Grossmutter. Meine Mutter, die Zia Maria. Und jetzt wird mir klar: Der Teppich wird mir zur Jakobsleiter. Die Reise geht los, der Zug fährt ein und fährt ab mit mir, lange bevor ich da bin. Mutters Koffer Aber so genau wollen wir es nicht nehmen damit, wer wann wo einstieg, nur dass viele Jahre später der Teppich da in meinem Zimmer liegt und von meinen Ahnen erzählt und vom Glück meiner Kindheit, als ich alles um mich herum vergass und auf Reisen ging. Oder doch? Sind da nicht noch mehr Geschichten in ihn verwoben? Ja. So ist es. Von Nonno Tomaso erzählt mir der Teppich, denn wenn er Zia Maria gehörte, dann lag er in der Wohnung, die sie mit ihm teilte bis zum Schluss. Er war es, Nonno Tomaso, der mit seinen sechs Töchtern in die Schweiz kam nach dem Krieg oder noch im letzten Jahr des Krieges, als er den Norden Italiens erreichte. Mutter brachte einen Ausweis der MussoliniJugend mit und erzählte mir von den Lautsprechern, die in der Schule an den Wänden hingen. Da waren dann die Worte des Duce zu hören. Bewunderung höre ich in ihrer Stimme, denn das war ein Werk der Technik, aber sie lachte auch, denn die Stimme plärrte, es war Kinderkram, den alle mitmachen mussten. Die Oper brachte sie mit aus Italien. Das war ihr viel wichtiger. Puccini, Verdi, das grosse Italien, Dante, Petrarca, die sie in der Schule gelesen hatte. Und mir erzählte sie, wenn sie mich die Treppe hoch ins Zimmer trug, die Geschichte vom Feigenbaum, in dem Peppino sass und die reifen, süssen Früchte ass. Wie sie ihm schmeckten! Und wie er von den Ästen herunter die Leute mit dummen Sprüchen und reifen Feigen bewarf! Selten kam Nonno Tomaso zu Besuch. Aber dann wurde es ein Sonntag, an dem der Tisch ausgezogen und gross aufgedeckt wurde. Gespickten Braten gab es, Kartoffelstock, Salat, Gemüse, Suppe. Wein stand auf dem Tisch, und wir machten mit Kindern, Eltern und dem Besuch das Dutzend voll am Tisch. Ich sah quer über die Teller, Gläser und Schüsseln hinweg einen erstaunlich kleinen, feinen, weisshaarigen Mann in Hemd und Weste, der sich die Serviette zum Essen unter den Kragen schob und den Wein mit Wasser verdünnte. Kaum sprach er mit uns, er so selten wie sein Bruder, Zio Don Agostino. So selten, dass wir bis heute unter den Brüdern, die damals Kinder waren, rätseln, ob er und sein Bruder überhaupt Deutsch gekonnt hatten. Zio Don Agostino war ein Priester und trug die Robe auch in der Schweiz. Mein Bruder Mario und ich staunten, dass er auf Fotos nicht die mächtige Erscheinung ist, an die wir uns erinnern. Auch er war weisshaarig. Sein Gesicht war noch kräftiger geschnitten als das seines Bruders, der Buchhalter war. Agostino war Priester, spielte Fussball mit den Ministranten. Er gab mir zur Kommunion den Segen. Seine Hände waren gross und kräftig und passten zu Ohrfeigen so gut wie zum Kreuz, das er mir mit Wasser auf die Stirn zeichnete. Da sassen sie nun am Tisch und Zia Annetta war mit ihnen dabei, denn sie war die Schwester, die dem Priester den Haushalt geführt hatte und immer fror: Vor dem Essen sass sie in der Küche auf dem blauen Schemel an der Heizung und sagte «Si» und «Ecco» und wir mussten ihr einen «Bacchiono» auf die Wange drücken, die entsetzlich stach, weil sie Stoppeln hatte. Da sassen sie am Tisch. Die mächtigen Gestalten meiner Kindheit. Tomaso hatte seine Töchter, seinen Bruder Agostino und seine Schwester Annetta über die Alpen in die Schweiz geführt. In der Küche und im Esszimmer meiner Kindheit kamen sie an mit ihren Geschichten und ihrem Italienisch und dem Sitzen und Palavern um nichts. Die Kehrkurven der Sehnsucht Viele Koffer hatten sie mitgebracht, über die Alpen. Die strengen, dunklen Kleider waren darin. Die Priesterrobe von Don Agostino, der Wollschal von Zia Annetta, den sie sich über die Schultern zog, als mich Mutter vor den Priester Agostino stellte. Und die sechs Töchter, von denen meine Mutter die lebhafteste ist und fast nicht stillhalten kann, bis es geknipst ist; ein Kind, als ihre älteren Schwestern schon Frauen sind, mit Augen, in denen ich meine Töchter sehe. Heute glaube ich, dass meine Mutter in ihrem Koffer eine grosse Sehnsucht über die Berge trug. Sie war vielleicht 16 Jahre alt, als sie aus der Welt ihrer Kindheit in die Schweiz reiste, nachdem ihre Mutter gestorben war, Paolina Azzola. Auf dem Ausweis war die Schweiz ihre Heimat, aber die Sprache verstand sie nicht. Sie hat sie gelernt und hat die währschafte Küche gelernt, die hier galt. Voressen, Wurstsalat, Gehacktes und Nudeln, Wurstweggen, Geschwellte Kartoffeln hat sie für uns gekocht. Italienisch hat sie am Telefon mit ihren Schwestern gesprochen. Aber selten hat sie sie gesehen, denn nach der Heirat gingen sie in der Welt ihrer Männer auf und hatten zu tun mit den vielen Kindern. Jetzt, da ich älter werde und über meinen Teppich nachdenke und darüber, was mich mit jener Welt verbindet, die Johann Jakob Sennhauser in Gang brachte, als er mit seinem Koffer nach Italien reiste – jetzt glaube ich die grosse Sehnsucht meiner Mutter nach ihrer Welt auf der anderen Seite der Alpen zu spüren und zu verstehen. Vielleicht teile ich sie sogar mit ihr, diese Sehnsucht. Es könnte sein, dass ich den Koffer meiner Vorfahren geerbt habe. Den Koffer mit der unerklärlichen Sehnsucht nach der Welt hinter den Alpen, über die ich mit meinen Spielzeugautos fuhr, in der Stube meiner Kindheit. Bis heute habe ich den Koffer, und ich wünschte mir, dass darin Platz hätte, was man vom Glück ins Unglück mitnehmen kann und was drinbleibt und hilft, wenn das Unglück da ist. Wenn es aufwärts geht, bergwärts, dem Licht entgegen, dann weiss ich den Koffer über mir. Er begleitet mich, wenn der Zug mit mir höher steigt, ins Helle, ins Weite, ins Offene. Ich höre ihn rumpeln, höre es im Koffer rumoren. Er öffnet sich, und ich sehe die Vögel aus dem Koffer fliegen. Bunt sind sie. Sie fliegen aus dem offenen Zugfenster in den Himmel, ins Licht. Sie leuchten vor den schweren grünen Tannen. Hoch über den Berg fliegen sie, der Zug aber fährt in den langen, dunklen Tunnel. Dunkel ist es, wenn der Zug aus dem Tunnel fährt. Schwarz fliegen die Vögel wieder in den Koffer zurück, und ich weiss, dass ich wieder schwer an ihm tragen werde und dass eine Sehnsucht an mir zieht. Über die Berge zieht es mich, in eine Heimat, die ich gar nicht kenne und von der ich nicht abstamme. Mein Koffer aber hat Löcher, durch die ich ins Innere sehe. Da sehe ich einen kleinen Mann mit weissem Haar. Er hat sich Zeitungen unter den Mantel und unter die Hosen geschoben, denn seine Fahrt ist weit. Die Satteltaschen seines Mofas sind gefüllt. Ich sehe ihn, wie er Kurve um Kurve den San Bernardino hinaufsteigt. Langsam, mit lärmigem, nörgelndem Kleinmotor. Er fährt in den Süden. Es ist Herbst, ein kalter Tag. Aber der kleine Mann auf dem Mofa hat einen Willen und eine Sehnsucht. Er fährt über die Alpen zurück ins Dorf, wo er aufgewachsen ist. Wo das Gasthaus war, das er mit seiner Frau geführt hat, Paolina, die ihm sechs Kinder gebar und an Erschöpfung und am schwachen Herzen starb. So habe ich es aufgeschnappt, als Kind, das von allem immer nur ein paar Wörter aufschnappte und sich die Welt zusammensetzen musste. So sah ich ihn unterwegs nach Bergamo über die Berge fahren. Über die Berge, durch die wir viele Jahre später mit einer Urne im Kofferraum fahren würden. Über die Berge, wo zwischen dem Glück und dem Unglück ein leichtes Schwanken ist. Über die Berge, über die ich meine Spielzeugautos auf dem Teppich fahren lasse. Steil ist die Strasse, eng sind die Kurven, immer aufs Neue verblüffend sind die Aussichten. Ich folge den Spuren der Geschichten, die in ihnen verwoben sind, vorwärts und rückwärts. Und so hatte er also recht, mein geistiger Vorfahr Michel Montaigne, der in seinem Turmzimmer über die Welt nachdachte und fand, man könne nie wissen, wohin einen die Gedanken führen. Auf Reisen in jedem Fall. Kann das erstaunen, wenn man sich auf Teppiche einlässt? Und kann es erstaunen, dass man, die Füsse auf dem Teppich, ein bisschen weniger an sich selbst und ein bisschen mehr an alle andern denkt, die am Leben mitweben, das man führt? Und wahrhaftig: Ich lobe mir meinen vielmustrig gewobenen Teppich und finde auf ihm Halt und Weltverknüpfung, den mir kein glattgestricktes Social-Media-Netzchen gibt. Schaut ihr ins Handy. Ich schaue auf den Teppich zu meinen Füssen und bin froh. |