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ERNST TRIFFT ERNST

«Schmähmäßig eingegroovt»

Er hätte auch scheitern können – der Wiener Songwriter und Schriftsteller Ernst Molden. Ist er aber nicht. Eine Begegnung mit Konzert. »
Text und Bild: Frank Keil

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Die Leute kommen gut gelaunt die Treppe zum Saal hoch, sie sind zur Feier des Abends ein bisschen besser angezogen, aber nicht so, dass es aufdringlich ist. Es gibt die Frau im roten, engen Kleid, es gibt den Mann mit ergrautem Zopf, einer trägt einen Hut. Dabei ist der Hut allein dem Ernst Molden vorbehalten, eigentlich, der heute Abend auftreten wird, zusammen mit Der Nino aus Wien. "Österreich" heißt ihr Programm, das sie schon über hundertmal gespielt haben, seit Jahren sind sie so unterwegs. Nur die zwei und ihre Gitarren, spielen und singen sie frühe Lieder von Wolfgang Ambros, von Georg Danzer, von André Heller oder die Rauschgiftlieder von Falco. Und dazu spielen sie zwischendurch noch was von Ernst Molden und Songs von Der Nino aus Wien, wobei ihnen jeweils das Publikum zu Füßen liegt, auch wenn es im verstuckten Mozartsaal angemessen sitzen bleibt. "Es gibt manche, die haben das Programm schon zwanzigmal gesehen", wird der Ernst Molden sagen, anderntags im Café, das er sich ausgesucht hat. Und ein wenig darüber verwundert den hutbedeckten Kopf schüttelt: "Dabei spielen wir eigentlich immer dasselbe." Er sagt: "Wir haben uns schmähmäßig gut eingegroovt."
Aber noch ist er hinter der Bühne, ein Vorhang spannt sich, aus Stoff in einem kraftvollen Blau, das einen schier aufsaugt, das einen fast wegbeamt, die Leute strömen in den Saal, der "Mozartsaal" heißt, geradeaus durch am Ende vom Wiener Konzerthaus, 704 Plätze hat's. "Ich habe auch schon nebenan im Großen Saal gespielt, mit dem Nino und der ganzen Band, der hat dann um die 2000 Plätze, auch die waren besetzt", wird der Ernst Molden sagen, 15 Stunden später, dann doch die Sonnenbrille abnehmen, es ist nach dem Konzert noch spät und später geworden und lustig. Weil Freunde da waren und Weggefährten, also andere Musiker und Dichter und Leute, die die beiden so kennen und sich untereinander auch.
Der Ernst Molden ist ein Konzertmusiker, durch und durch, das ist nicht unwichtig. Nichts lieber macht er, als aufzutreten, zu singen, Gitarre zu spielen, akustisch und elektrisch und zwischendrin zu erzählen. Wobei er noch etwas sehr gern und mit Leidenschaft betreibt: das Schreiben. Romane, Artikel und Geschichten, grandios seine Kolumnen jahrelang für die Wochenendausgabe vom KURIER, vom Jahr 2009 an. Über seinen ureigenen und allgemeinen Alltag, übers Eisessen im Stadtpark, übers Blumenkaufen für die Liebste, übers Umziehen in eine neue Wohnung und über Zahnschmerzen, ein ACDC-Konzert beim Prater und über Fußball, der ihm völlig wurscht ist. Bis er im Jahr 2015 von sich aus damit aufhört: "Aus Überarbeitungsgründen und weil die Kinder mit der Pubertät es sich verbeten haben, da weiter drin vorzukommen, erst der größere, bald die beiden kleineren." Seitdem sei die Familie wieder enger zusammengewachsen, das sei ganz angenehm.
Und noch was drittes kommt wie von selbst hinzu, macht, dass der Ernst Molden das Substanzielle für seine Lieder, für seine Texte so findet: Wien. Das Innere von Wien, Wiens Inneres. Und was es so Gutes drumherum gibt, wenn es gut ist.
"Augenblicklich ist es sehr schön im Wien", erzählt er im Café am Heumarkt – und Leute: Das ist vielleicht ein Wiener Café! Du machst die Tür auf und bist woanders. Geräumig und still; verwunschen und von ergreifender Schlichtheit ist es. Kleiderständer stehen herum, das Parkett ist sacht abgetreten, es gibt sehr viel zerlesene Zeitschriften. In der Mitte thront ein Kuchenkühltresen, der sich schüttelt wie ein Stier, wenn der Strom kommt, wenn er geht, und das Kunstleder der Sitzbänke ist ehrwürdig alt und mürbe, so sorgt hier und da manch Paketbandklebestreifen dafür, dass da nichts allzu deutlich hervorquillt, man will ja nur hier sitzen und meist für sich sein, allein oder zu mehreren. Wozu ein Ober im weißen, doch ungebügelten Hemd in aller Seelenruhe sich Richtung irgendwo nach hinten zur Küche auf den Weg macht, um die Bestellung sehr gewissenhaft abzuarbeiten, aber er schlurft nicht dabei. "Wir haben immer Angst, dass das Café demnächst zusperrt", sagt Ernst Molden und rührt im Kaffee. Was das Grundthema seiner Kunst ist, vielleicht auch seiner Existenz: dass das Liebens- und damit Lebenswerte ständig bedroht ist. Dass da welche kommen, Pläne haben und noch mehr überflüssiges Geld, von nichts was wissen und dass dann das Schöne bald verschwindet, wie hier am Eck, an der Nahtstelle vom Dritten zum Ersten Bezirk, dies fast vergessene Café. Kann es nicht so bleiben, wie es ist, das fragt sich der Molden oft und erhebt dazu die eindrücklich melodische Stimme und spielt seine Akkorde.
Molden, Jahrgang 1967, Spross einer Verlegerdynastie (Bücher, Zeitungen, Ruhm und Prominenz), der nicht den ihm vorgezeichneten Weg abschreiten wollte, und als dann doch, ging er ihn ganz anders. Der erst mal Polizeireporter wird, da lernt man die Menschen auch kennen und wie man über sie schreibt. Der danach ganz klassisch Zeitungsredakteur wird und der sich mit dem Romaneschreiben nach und nach das Liederschreiben, das Komponieren beibringt, das Spielen auch, ein Autodidakt reinsten Herzens. Der die Ochsentour absolviert, der oft nur vor einer Handvoll Gästen spielt, der auch ans Aufhören gedacht hat, gewiss. Bis die Auftritte und Aufträge mehr werden und immer mehr, weil auch die Akzeptanz wächst für auf deutsch gesungene Lieder und dann für das Wienerische im speziellen, was nicht vorauszusehen war: "Ich bin das Prekariat so viele Jahre gewohnt, dass ich gern bereit bin, es wieder in Kauf zu nehmen, wenn der Erfolg mal ausbleiben sollte", sagt er.
Wonach es aber so rein gar nicht ausschaut, und der Ober kommt, nachdem der Molden weg muss, weiterschaffen, er schaut missmutig auf das kleine Messingtablett und grummelt: "Hat er nicht gesagt, er will viel Wasser, und nun hat er's Glas gar nicht ausgetrunken!"
Aber was soll Ernst Molden Wasser trinken, wenn er doch zu erzählen hat! Etwa über sich und den Der Nino aus Wien, ein Sänger eine Generation unter ihm. Gemächlich haben sie sich kennengelernt, vor sieben, acht Jahren war das. Haben angefangen zusammen Musik zu machen, dann erste Konzerte zu geben. "Wir haben eine gemeinsame, schmutzige Leidenschaft für den Austro-Pop der 1970er- und 80er-Jahre entdeckt, diese Musik, die ab den 90er und Nuller Jahren total verdammt worden ist, auch weil ihre Vertreter bald ziemlich verfallen sind und nicht mehr gut waren", sagt er. Wobei sie sich auch über das Musikalische hinaus schätzen: "Der Nino studiert mich, schaut sich an, wie es einer so lang schafft, und für mich ist er eine ständige Inspirationsquelle", sagt er. "Mit einem wie Nino zu arbeiten verhindert, dass man im eigenen Ego-Kammerl verkommt", davon erzählt er.
Und dass es nächster Tage ins Burgenland geht, für ein weiteres Molden-Projekt: "Ernst Molden & das Frauenorchester". Also er und die drei Frauen aus seiner sechsköpfigen Band, die spielen Bass, Schlagzeug und gleichfalls Gitarre. "Ich muss aufpassen, dass ich nicht in die Balladenfalle tappe", sagt er. Von daher wollen sie schnelle Stücke einspielen, möglicherweise sogar tanzbare. "Unter meinen ungefähr zweihundert Liedern gibt es vielleicht vier, die etwas lauter und wilder sind", setzt er nach. Und das seien viel zu wenige! Mit dabei auch sein Tonaufnahmemann mit seiner Bandmaschine statt Laptop-Firlefanz – und wie Ernst Molden das Wort "Bandmaschine" ausspricht, wie er nun lange Sätze bildet, damit das Wort "Bandmaschine" unterkommen kann (die vorletzte CD namens "yeah" haben sie in Triest eingespielt, in einer ehemaligen, verfallenen und entsprechend geheimnisverwitterten Fabrikantenvilla, nur er und seine Musiker und sein Tonmann und dessen Bandmaschine, die im einstigen Salon aufgebaut stand, weil nur so eine Bandmaschine den Klang ...) – da merkt man den Musiker alter Schule, der sich nicht aus Bequemlichkeit treu bleibt, sondern weil es so für ihn am besten passt und weil es ihn zugleich vorwärts bringt.
 
 
Für jede Ausgabe treffen wir einen Mann mit Vornamen «Ernst», um mit ihm über sein Leben zu sprechen. Dieses Mal: Der Wiener Songwriter und Schriftsteller Ernst Molden.
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