Ernst - Magazin fuer Gesellschaft, Sinn und Gender
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Weg damit!

Ordnung, Unordnung, Handys, Autos, Ausrufezeichen, Ehe, Kindheitstrauma - und das Patriarchat: Wir schaffen ab, was es nicht braucht.  »
Texte von Adrian Soller, Samuel Steiner, Frank Keil, Jens Eber und Ivo Knill, Bilder von Luca Bricciotti

​«Mein Handy fühlt sich gut an»
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Gleich fährt die S-Bahn aus dem Tunnel ins Helle. Und meine Stadt liegt vor mir. Mit ihren Häusern und Straßen und Kirchtürmen und den Wolken, die sich auch heute aufbauschen, bis ganz nach oben, wo Gott wohnt, wenn es ihn gibt. Aber ich sehe das alles nicht: Ich schaue auf mein Handy. Ich schaue auf mein Handy, obwohl ich nicht auf mein Handy schauen will. Wirklich: Ich will nicht, aber ich schaue trotzdem, ob mir jemand eine Nachricht geschickt hat, dabei habe ich erst vor zwei Minuten gesehen, dass mir niemand eine Nachricht geschickt hat; wer soll mir schreiben und warum jetzt, ein paar Atemzüge später? Mein Handy fühlt sich gut an. Es steckt in einer Hülle aus unechtem Leder, die Hülle ist schwarz, mit aufgedruckten Rauten, eine schwarze, samtene Rautenlandschaft umhüllt mein Handy, warum auch immer. Und schon hole ich das Handy wieder aus seiner Hülle, ich befreie es, obwohl ich es eingesperrt wissen will, damit ich nicht draufschaue, damit ich endlich aus dem Fenster schaue, auf meine schöne Stadt. Es gibt Zahlen, Beweise: Wir berühren im Durchschnitt pro Tag 2617mal unser Handy, wir entsperren es 76mal, wir werfen nur einen flüchtigen Blick auf das nun entsperrte Display; in der Regel schauen wir keine dreissig Sekunden, dann stecken wir das Handy wieder weg, es gibt ja nichts Neues zu vermelden. Und schon halte ich wieder mein Handy in der Hand, ganz lässig, wie der Cowboy sein Lasso. Was soll das nur? Und was ist mit mir los, dass ich es nicht schaffe, nicht auf mein Handy zu schauen, sondern auf die hübsche Frau gegenüber, auf ihren Hund, der zu ihren Füßen liegt und leise schnarcht, weil der S-Bahnwaggon so sachte schaukelt, wenn es in die Kurve geht. Aber das sehe ich schon nicht mehr, das merke ich nicht einmal, ich kämpfe mit meinem Handy, das will, dass ich es aus seiner Hülle ziehe, wie einen bösen, trotzigen Flaschengeist. Weg damit!, weg mit meinem Handy, könnte ich jetzt denken, was für ein schlechter Witz. Ich habe nicht die geringste Chance; irgendwelche Botenstoffe rauschen längst durch mein blödes Gehirn, das einst an die Vernunft geglaubt hat und sie machen, dass ich es längst wieder entsperrt habe und auf die leuchtende Oberfläche schaue, keine neue Nachricht, natürlich nicht, lese ich doch die Nachrichten: Trump spinnt, Trump ist verrückt, Trump ist gefährlich, weil er verrückt und gefährlich ist, gut zu wissen, immer wieder aufs Neue: Danke, Handy!

​Frank Keil über dumme Angewohnheiten.


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«Zeichentrickfilme sehe ich heute mehrmals hintereinander an​»
 
Ich wollte nie Kinder. Das liegt wohl an meiner Geschichte. Mir ist kein Unheil widerfahren, nur ging Unbeschwertheit an mir vorüber. Ich habe meine Kindheit nicht als Grauen erlebt; ich hatte aber bald genug davon, Kind zu sein. Mit sechs weigerte ich mich, in den Kindergarten zu gehen, weil dort alle nur spielten. Das Gymnasium brach ich ab, weil es mir zu fern vom echten Leben schien. Ich arbeitete im Wald, fand etwas Ruhe in müden Knochen und blauen Flecken. Vielleicht war ich beliebt, aber ich war vom Gegenteil überzeugt. Natürlich litt ich, und darin hatte ich mich eingerichtet. Auch Schwere ist ein Gefühl, das einem vertraut sein kann. Ich wollte nie Kinder, weil ich den Gedanken nicht aushielt, dass ein kleiner Mensch eine Abwandlung meines Lebens führen würde. Bloß kümmert sich das Leben nicht um sorgsam geschneiderte Deckmäntelchen. Eine neue Liebe brachte zwei Mädchen in mein Leben, damals sechs und vierzehn Jahre alt. Und die kümmerten sich einen Scheiß um meine Lebensplanung. Gemeinsam mit ihrer Mutter waren sie eine Einheit. Ich konnte nicht diese Frau lieben und ihre Kinder ignorieren. Dabei machten die Kinder mir Angst. Sie waren selbstbewusst und fröhlich, voller Ideen und permanenter Wendungen. Leicht. Ich begann eine Rolle in ihrem Leben einzunehmen. Nicht, weil ich das wollte, sondern, weil das eben so ist. Meine Freundin ließ das Wort «Vaterrolle» fallen und entsetzte mich bis ins Mark. Wie sollte ich, der es gehasst hatte, Kind zu sein, jetzt an der Seite von Kindern funktionieren? Die drei ertrugen mein Stolpern eine Weile lang, dann nahmen sie meine Ausbildung zum «Bonuspapa» in die Hand. Ich werde kein richtiger Vater sein, eher ein Zwischending, aber sie haben mich die Angst vor dem Kindsein vergessen lassen. Heute sehe ich Zeichentrickfilme auch mehrmals hintereinander, und ich war irgendwie stolz, als ich die schlafende Kleine nach einer langen Autofahrt zum ersten Mal ins Bett getragen hatte. Die Große fuhr ihre ersten Meter nach der Führerscheinprüfung mit meinem Auto, und kürzlich stand ich grinsend mit einem grellbunten Rubbeltattoo auf dem Arm im Supermarkt. Leichtigkeit. Darum geht es.

​Wie Jens Eber seine Kindheit erst als Ziehvater vergessen konnte.​ 


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«Ich hab doch auch Probleme!!!!!!!»


Liebes Ausrufezeichen, du nervst!!! Wo das Semikolon dezent Sätze trennt, das Komma für Erholung sorgt und der Punkt achtsam einen Gedanken abschliesst, brüllst du einem ins Gesicht. Du bist ist der Macho unter den Satzzeichen, der Trump der Interpunktion. Unreflektiert und unbescheiden stellst du dich ins Zentrum des Geschehens, siehst grosszügig über deine eigenen Unzulänglichkeiten hinweg, hast kein Gespür für nichts, weder für dich, noch für die anderen Satzzeichen. Du lässt stillen, tiefsinnigen Gedanken keinen Raum. Immer das Gleiche: Hör’ mir zu, ich bin wichtig, ich bin relevant. Widerspruch ist zwecklos. Wärst du ein Mensch, du sässest mit der Hand im Schritt auf dem Sofa und ässest den ganzen Tag nur Chips. Fuck you!!! Im Ernst. Glaubst du, ich kann nicht selber denken? Hättest du nur ein bisschen Fähigkeit zur Selbstkritik, einen Funken nur, du wärst ein Fragezeichen. Nein, wirklich, das wollte ich dir schon immer mal sagen: Was kann ich denn dafür, dass du ein Kindheitstrauma noch nicht überwunden hast? Was kann ich denn dafür, dass du immer Angst hast, nicht gehört, nicht gesehen zu werden. Ich habe doch auch Probleme!!! Auch ich bin oft unsicher, auch ich werde nicht geliebt und nicht gesehen, auch ich werde andauernd abgewiesen, auch ich habe Angst vor dem Alleinsein, glaub mir, auch ich leide hie und da. Und ja, es ist schon so: Manchmal überdecke auch ich meine Unsicherheit mit lautem Gebrüll, gerade in einer Männerrunde. Aber ich drehe die Lautstärke doch auch nicht immer gleich hoch. Ich lerne dazu, ein bisschen wenigstens. Du aber, bist ein sturer Bock!!! Nichts gegen Borderliner, aber musst du denn dein Problem immer gleich zu meinem machen? Das ist unfair!!! Kannst du nicht einfach auch mal leiser treten, dich zurückziehen? Zugegeben: Manchmal beneide ich dich dafür, dass du deinen Scheiss anderen an den Kopf brüllen kannst, statt ihn in dich reinzufressen, wie ich es tun würde. Zugegeben: Manchmal beneide ich dich, um deine brutale Stärke, deine rohe Kraft, über die ich nicht verfüge. Zugegeben: Manchmal beneide ich dich, dass du dich befreien kannst, ohne Rücksicht auf Verlust, ohne über deine Aussenwirkung nachzudenken, wie ich’s nicht kann. Aber mal Hand aufs Blatt: Wie unachtsam, wie egoistisch, wie respektlos ist deine Zeichensetzung denn?! Du bist ein Grammatikrowdy, eine Dudenperversität, ein Lektorenquäler. Echt jetzt. Ich habe keine Geduld mehr mit dir. Du raubst mir alle Zwischentöne. Und damit auch den Ort, wo mein Leben stattfindet. Bleib mir fern, Ausrufezeichen!!! Bleib mir bitte, bitte fern. Punkt.

Adrian Soller schreibt einen Brief an das Ausrufezeichen.


«Ordnung ist ein hungriges Tier»
Aufräumen? Wieso! Ordnung macht das Leben langweilig und lässt uns vergessen, dass es nicht wegen seiner Vorhersagbarkeit schön, aufregend und wertvoll ist, sondern wegen all dem, was neu, unvorhergesehen, verblüffend und unerwartet ist. Züge fahren pünktlich – wie toll! Und wie sehr ist das –  nur schon das – ein Joch der Regelmässigkeit, unter das wir uns beugen. Wenn die Züge pünktlich sind, dann müssen wir es auch sein. Dann müssen wir uns an all die vielen Pläne halten, die zusammenspielen, damit die Maschinerie der Arbeit regelmässig läuft. Nach Plan! Nach Plan! Nach Plan! Alles geht nach Plan, pünktlich fahren wir zur Arbeit, pünktlich hetzen wir in den Feierabend. Nach Plan und per App nachverfolgbar erhalten wir die unnützen Dinge zugesendet, die wir uns in Online-Kaufhäusern besorgen, wo sie, nach Plan geordnet, abgerufen und in viel zu grosse Kartonschachteln gepackt werden. Nach Plan läuft die gewaltige Maschinerie von Arbeit und Konsum und planvoll beuten wir die Ressourcen dieses Planeten aus. Planvoll verschulden wir uns heute auf Generationen hinaus, planvoll verpestet der Diesel die Städte, weil Beamte und Kontrolleure nicht das massen, was sich ereignete, sondern das, was ihnen die planvoll auf den Bock der Prüfanlagen gestellten Autos vorgaukelten. Darum: Weg mit den Plänen, den Bildern im Kopf, unseren Ordnungen der Welt, die nur ein Krümelblick auf die Wirklichkeit sind, eine hundertfach schmal heruntergerechnete MP4-Simulation jener Symphonie der Welt, die um Dimensionen breiter braust und leiser säuselt, als dieser Maschinencode das wahrhaben will. Unser Plan im Kopf ist nicht die Welt! Schluss damit!

Ivo Knill mag Unordnung.

«Mein Kopf, und was er von der Welt denkt»
Wie kommen wir in den Einklang mit der Welt? Das Ziel wäre ja, eine gewisse Ordnung, eine Harmonie, eine Form von Entsprechung zu finden. Beim Schreiben heisst das: Die Welt auf beiden Seiten des Stiftes, der vorwärts über das Papier läuft, halten im Gleichgewicht. Was ich denke, findet einen Weg auf das Papier, was dasteht, handelt und widerspiegelt, was ich mir denke. Das ist Ordnung: Mein Kopf, und was er sich von der Welt denkt, und die Welt sind in Harmonie. Es heisst aufräumen, und dafür habe ich eine Technik, die normalerweise funktioniert. Einen Algorithmus des Ordnens: Ich beginne irgendwo. Ich nehme irgendetwas, das nicht an diesen Ort gehört. Ich lege dieses Irgendetwas an den Ort, wo es hingehört. Dort liegt normalerweise wiederum etwas, das dahin nicht gehört, und mit dem gehe ich dann an den richtigen Ort, wo ich mit grosser Sicherheit wieder einen nicht dahingehörigen Gegenstand nehmen und an seinen Ort tragen kann. Wegwerfen ist nicht das Ziel, sondern die Harmonie der Dinge. Feldenkrais für Sachen. Dieses Vorgehen braucht Zeit und einen Liebenden Geist, sonst verkommt die Aufräumerei in eine Wegschmeissorgie, und gerade darum geht es nicht: Ich will mit den Dingen leben, und darum trage ich sie sorgend und hegend zusammen.

Ivo Knill mag Ordnung. 
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«Ein Narr, wer auf das lange Lieben verzichtet​»

Ehe ist die Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften», so hat es Immanuel Kant definiert in seiner Metaphysik der Sitten. Das war im Jahr 1785. Die Definition des deutschen Philosophen war eine Befreiung aus der religiösen Überhöhung der Ehe. Nicht lustvoll, aber radikal. Was folgte, machte alles schlimmer: Die Romantik mit ihren überhöhten Vorstellungen von Glück und Liebe belud die Ehe mit einem Ballast an Erwartungen, unter denen wir bis heute leiden. Und was die vergangenen Jahrzehnte an scheinbarer Befreiung von diesen Zwängen gebracht hat, machte in Wahrheit alles nur noch schlimmer: Die allzeit drohende Scheidung macht uns unfrei, und sie kann für einen der beiden Eheleute das Ende der Beziehung zu den eigenen Kindern bedeuten. Die Ehe ist eine Institution des Patriarchates, eine Institution, die jeder Frau einen Vormund und jedem Kind einen Versorger aufdonnerte. Und damit ist jetzt einmal Schluss. Weg mit der Ehe! Die Liebe soll wieder frei werden. Es gibt viele gute Gründe, ein Leben lang mit demselben Partner zusammen zu sein: Man ist sich gegenseitig Zeuge des Lebens, man hat gemeinsam grosse, schwierige, leichte und bedeutsame Zeiten erlebt und kann sie gemeinsam erinnern, man hat Gemeinsames geschaffen, das verbindet. Ein Narr, wer auf diesen Gewinn des langen Liebens verzichtet und sich in einer Folge halbtiefer Liebesepisoden verliert. Aber, wenn das lange Lieben nicht glückt, schafft die Ehe keine Dauer und beschränkt die Freiheit. Wer zusammenbleiben will: Der soll. Wer auseinandergehen will: Der soll. Es braucht dafür weder Ehe noch Scheidung. Weg damit! Gegenüber den Kindern sollen Pflichten gelten und das Recht auf Umgang, beides nur voneinander getrennt, wenn es anders nicht geht. Im Übrigen soll eine einfache Übereinkunft genügen, damit zwei Menschen einander solidarisch sind in Fragen der Gesundheit, des Lebens und Sterbens. Ob mit viel oder wenig Gefühl, mehr oder wenig wechselseitigem Gebrauch der Geschlechtseigenschaften, das sei ihnen dann überlassen. Ganz frei.

Ivo Knill über die Ehe.

«Es ist halt praktisch, so ein Auto»
Wäre das Auto eine Tierart, es hätte den Charles-Darwin-Award des 20. Jahrhunderts mehr als verdient. Schnelle Anpassung, globale Verbreitung, explosionsartige Vergrösserung der Population: Das Auto war evolutionär höchst erfolgreich. Nun ist das Auto aber keine Tierart, das 20. Jahrhundert vorbei, und Artenschutz in diesem Fall weder nötig noch angebracht. Zeit aufzuräumen. Schaffen wir den motorisierten Individualverkehr ab! Viele Menschen finden, Autofahren sei praktisch. Sie meinen damit, dass ihr individueller Nutzen gross ist, während ein Grossteil der Kosten auf die Allgemeinheit und die Umwelt abgewälzt wird. Autofahren ist günstig, die Prüfung schaffen alle irgendwie, Parkplätze hat es fast überall, Strassen sowieso. Autofahren ist praktisch ein Grundrecht. Ja, der enorme Ressourcenverbrauch für Produktion und Betrieb, die Lärmbelastung, der Landverbrauch für Verkehrswege, der Klimawandel, die Unfälle sowie die Beeinträchtigung von Langsamverkehr, Tierwelt und Ortsbild sind mühsam. Aber es ist halt ungemein praktisch, so ein Auto. Man hat es ja hauptsächlich für Grosseinkäufe, die Grossfamilie und den Transport der Grossmutter zum Arzttermin. Und wenn man schon eines hat, kann man damit ja auch gleich täglich zur Arbeit, abends zum Sport und am Wochenende an den See fahren. Natürlich alleine, die anderen vier Sitze sind eher so für Notfälle gedacht. Im Ernst: Eine zukünftige Gesellschaft kann sich den motorisierten Individualverkehr schlicht nicht leisten. Technische Entwicklungen vom selbstfahrenden bist zum elektrisch betriebenen Auto können nicht darüber hinwegtäuschen. Im 21. Jahrhundert ist kein Platz für den egoistischen, umweltschädlichen und menschenfeindlichen Individualverkehr. Weg damit!

​Wieso Sämi Steiner Autos nicht schützen will.

«Das alte Wohnhaus ist unsere Cheops-Pyramide»
Wer sich der Zukunft zuwendet, muss die Vergangenheit ruhen lassen. Wer Neues will, muss sich vom Alten trennen. Platz schaffen. Platz im Kopf, im Geschirrschrank, in der Wohnung, im Quartier, überall. Was uns bei Gedanken, Geschirr und Möbeln selbstverständlich scheint – nämlich dass wir selbst entscheiden, was wir behalten und was entsorgen – ist bei Gebäuden nicht ganz so einfach. Hier hat jemand ein gewichtiges Wort mitzureden: Der Heimatschutz. Der Heimatschutz will bewahren. Was alt ist, habe einen Wert an sich, heisst es. Was früher gebaut wurde, soll auch in Zukunft noch stehen, meinen die Heimatschützer. Dabei ist klar: Die Idee ist absurd. Unsere eigene Lebenszeit ist begrenzt. Wir wissen, dass wir – aller Medizin zum Trotz – irgendwann sterben werden. Und nun sollen ausgerechnet Gebäude auf ewig stehen? Das Wohnhaus aus den Zwanzigern ist unsere Cheops-Pyramide, das Berner Bauernhaus unser drittes Reich – tausend Jahre soll es bestehen. Woran glücklicherweise schon die Nazis gescheitert sind, daran beisst sich zum Glück auch der Heimatschutz die Zähne aus. Der Zahn der Zeit ist stärker als alle Schutzbestimmungen. Der Pragmatismus der Menschen gewinnt über absurde Regelungen. Der Heimatschutz enteignet, er nimmt den Menschen das Bestimmungsrecht über ihren Besitz, im Sinne des grösseren Wohls, für den ewigen Bestand des Vergangenen. Schauen wir in die Zukunft! Der Heimatschutz macht die Welt zum Museum und hält unsere Gedanken in der Vergangenheit gefangen. Häuser sind keine Denkmäler – und schon gar keine Ausstellungsstücke. Sie gehören umgebaut und abgerissen, einer neuen Verwendung angepasst, energiesaniert, ersetzt. Häuser haben eine Bestimmung, werden mit einem Zweck gebaut. Sie zum Selbstzweck zu erhalten, ist zynisch. Schaffen wir Platz in den Köpfen und den Städten! Schaffen wir den Heimatschutz ab!
 
Wieso Heimatschutz für Sämi Steiner  nicht zwingend gut ist.


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