Die Welt ist groß. Die Welt ist klein. Was davon stimmt, wer weiß das schon. Und gewiss stimmt beides, wovon das Hamburger Miniatur-Wunderland erzählt. Seinen Besuchern, seinen Machern, uns.
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Text und Bild von Frank Keil
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![]() Das Miniatur-Wunderland liegt mitten in der Hamburger Speicherstadt, in unmittelbarer Elbnähe und wenige Meter von der schnell berühmt gewordenen Elbphilharmonie entfernt. Und es ist Deutschlands bekannteste Touristenattraktion. Nur 16 Jahre haben die Brüder Frederik Braun und Gerrit Braun gebraucht, um den altehrwürdigen Kölner Dom, das nicht minder eingeführte Heidelberger Schloss und das verträumt-bekannte Schloss Neuschwanstein, zu dessen Füßen sich Bayerns Märchenkönig ertränkt haben soll oder ertränkt worden sein soll, an Beliebtheit und Bekanntheit weit hinter sich zu lassen. Imposant auch die Besucherzahlen: 1,3 Millionen waren es im Jahr 2016, mindestens 3500 jeden Tag. Und in diesem Jahr werden es noch mehr werden. Wie haben sie das geschafft? Frederik Braun lässt sich entschuldigen, er liegt krank im Bett, kann nicht kommen, sein Bruder Gerrit wird Rede und Antwort stehen, sehr gerne mache er das, eben hat er noch telefoniert, dabei etwas gegessen, die Zeit ist knapp, er hat heute noch viel vor, nun steht er da, weist auf die Tür zum Besprechungsraum, er, der müde und zugleich bestens gelaunt aussieht, schmal, schlank, in seiner rechten Hand hält er lässig eine Dose Red Bull, das Getränk, das Flügel verleihen soll, dank des hochdosierten Koffeins. Wie es dazu kam, dass an manchen Tagen sich die Besucher die zwei Stockwerke hinunter und unten weiter weit über den Hof schlängeln, so dass die Hamburger Hafenrundfahrtsunternehmen schon eigene Touren durch die umliegenden Fleete und Kanäle und quer über die Elbe anbieten, um so die zum Teil mehrstündigen Wartezeiten zu verkürzen, wie also die Idee entstand, Hundertausende dazu zu verlocken, sich über miniaturisierte Städte, Landschaften und Länder zu beugen – oft schon haben die beiden Brüder meist gemeinsam, aber dann und wann auch einzeln die dahinter stehende Gründungsgeschichte erzählt, so dass diese mittlerweile glatt geschliffen ist wie ein Elbkiesel. Komprimiert auf den Kern geht sie so: Die Zwillinge (Gerrit ist einige Minuten früher geboren) führen ab Anfang der Neunziger in Hamburg eine angesagte Diskothek, in der überwiegend junge Leute wie sie selbst die Nacht zum Tag machen. Was es mit sich bringt, dass sich ihr Leben gleichfalls überwiegend des nachts abspielt. Sie kommen spät ins Bett, sie sind umgeben von sehr lauter, geschickt ineinander fließender Musik, man nimmt reichlich Getränke zu sich, bis schließlich der Morgen graut. Und Stunden später geht es wieder von vorne los. Wie es sich für eine ordentliche Discothek gehört. Für Gerrit ist das in Ordnung so und es kann gern auch noch eine Weile so weitergehen. Für Frederik nicht. Er wird später sagen: Er sei damals in einer Krise gewesen; was sie da taten, sei ihm sehr oberflächlich vorgekommen. Obwohl – widerspricht rückwirkend Gerrit – sie nicht einfach eine Discothek betrieben hätten, mit aufschließen, aufpassen, das alles läuft, am Ende das Geld zählen und wieder abschließen. Im Gegenteil: Ihre Discothek ist eine der ersten, die Motto-Parties veranstaltet; ihre Discothek ist eine der ersten, die Werbung per SMS verschickt. Und noch bevor es Jamba mit seinem vermeintlich lustigen Frosch gibt, kann man sich ihr Discotheken-Logo als Klingelton herunterladen. Und ist das Neue etabliert und nicht mehr neu, lassen sie sich etwas Neues einfallen. Trotzdem: Frederik reicht es langsam. Und er überlegt, was es an Alternativen geben könnte, was man sonst machen könnte. Also sie beide: er und sein Zwillingsbruder. Wer sonst. Und die Aufteilung ist schon immer so gewesen, dass Frederik eher die Ideen ausspuckt und Gerrit sie auf ihre Machbarkeit hin überprüft. Schaut, ob das, was Frederik sich für sie ausdenkt, sich auch einigermaßen lohnen könnte, also auch finanziell. Und dann ist Frederik Braun mit seiner Frau im Sommer im Urlaub, in der Schweiz, in Zürich. Noch mit dabei zwei Freundinnen, drei Frauen also und ein Mann. Es geht durch Zürichs Boutiquen, Frederik im Schlepptau. Und dann hat Frederik genug vom Noch-durch-eine-Boutique-Schlendern und es geht in ein vordergründig unscheinbares Geschäft für Modelleisenbahnen (samt notwendigem Zubehör). Und Frederik steht da, schaut auf die Gleise, die Schienen, die Weichen; die Schranken mit dem Schrankenwärterhäuschen, aus dessen Fenster der Schrankenwärter auf die Szenerie schaut und auf die aufgeklebten Häuser, aus denen in Form von weißer Watte Kaminrauch quillt – und etwas erfasst ihn und das augenblicklich. Und er greift zum Telefon. Er ruft seinen Bruder Gerrit an und erzählt ihm von der Idee, die er gerade hatte und die er noch hat: Sie beide werden die größte Modelleisenbahn der Welt bauen. Mit allem drum und dran. Mit allem, was dazu gehört. Und die kann man dann gegen Eintritt besichtigen, und es wird der Mega-Knaller werden. "Er rief mich an, ich war skeptisch, die Idee fand ich super, das Spielen mit der Eisenbahn fand ich toll, aber die Geschäftsidee dahinter, also dass man davon auch leben kann, dass wir nicht hinterher, weil wir zwei Millionen von der Bank bräuchten, nackt bis auf die Unterhose und finanziell ruiniert dastehen würden – das wollte ich nicht", sagt Gerrit, der einen letzten, kleinen Schluck aus seiner Red-Bull-Dose nimmt.Frederik legt damals auf. Frederik denkt nach, Frederik ruft wieder an. Frederik setzt nach. "Zum Glück hat Frederik mich überzeugt", sagt Gerrit im Besprechungszimmer, das mit Urkunden und Pokalen und Auszeichnungen schier übersät ist. Es habe ungefähr eine Woche gebraucht. Und Gerrit und Frederik gehen zur Bank, leihen sich die zwei Millionen, die sie brauchen, sie finden einen Modellbauexperten, der sich aus der Modelleisenbahnerhauptstadt Nürnberg nach Hamburg an die Elbe locken lässt, sie finden die passenden, ausbaufähigen Räume, sie stellen ihre ersten zwanzig Mitarbeiter mehr nach Gefühl und (wie man in Hamburg so sagt) Wellenschlag ein denn nach Zensuren und Referenzen, und am Eröffnungstag stehen viel zu wenig Leute vor der Tür, die sich ihre Welt anschauen wollen, aber nach einer schlaflosen Nacht sind es am zweiten Tag genug und seitdem ist es dabei geblieben. Weil es so viel zu sehen gibt: Es gibt zu allererst Hamburg mit dem Hafen, der Köhlbrandbrücke und den Landungsbrücken, wo gerade der Schlager-Move vorbei zieht. Es gibt Berlin im Moment der Kapitulation, Berlin vor dem Mauerbau, Berlin während des Mauerbaus und nach dem Mauerbau und das Berlin nach dem Fall der Mauer, die Straßen nun gesäumt mit kleinen Figuren, Männern und Frauen und Kindern, die sich gegenseitig um den Hals fallen, ein sympathisches, angenehmes Chaos. Es gibt die welligen deutschen Mittelgebirge und die deutschen Tiefebenen mit ihren jeweiligen ICE-Trassen und die ICE-freie Küste, wo man auch surfen kann. Es gibt aber auch Las Vegas, das sich als prachtvolle Skyline in rot und blau und gelb zeigt, wenn alle 15 Minuten das Licht automatisch heruntergedimmt wird und die Nacht beginnt und die Züge im Inneren gleichfalls hell erleuchtet sind. Es gibt den wüstenrauen amerikanischen Mittelwesten, die ihn durchquerenden Güterzüge, auf die man aufspringen könnte und nebenan die Polizeikontrolle auf dem Highway. Es gibt Italien mit seinen Stränden, dicht bestückt mit gelben Sonnenschirmen, unter denen sich die Italiener lässig ausruhen, und auf dem Petersplatz zeigt sich der Papst vor seinen Gläubigen und segnet sie. Es gibt das hyggelige Dänemark samt Hippie-Camp, es gibt das tief verschneite Nordschweden mit seinen sich in die Erde bohrenden Eisenerzminen und den Verladestationen, es gibt aus Norwegen einen Fjord, gefüllt mit hunderten Litern Echtwasser, auf dem ein Containerschiff von dannen zieht. Es gibt die Schweiz als berückendes Alpenpanorama, steil nach oben ragen die von Tunneln durchsetzten Berge, tief unten liegen Dörfer, Straßen, Häuser, dass es einen unrettbar in die Tiefe zu ziehen scheint. Nur nebenan Österreich ist gerade eine Baustelle und entsprechend gesperrt. Ja, schon. Aber warum hat es geklappt? "Zusammenfassend kann man sagen", sagt Gerrit Braun: "Wir sind Zwillinge." Und das sei ganz, ganz wichtig. "Denn Glück ist das einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt, und geteiltes Leid ist halbes Leid. Das heißt, wir waren immer zusammen. Und so konnten wir wesentlich einfacher verrückte Entscheidungen treffen." Und das von Kindheit an: "Klein konnten wir nie", sagt er, er lehnt sich in seinem Stuhl zurück: "Wenn wir etwas gesammelt haben, und wir haben immer etwas gesammelt, wir haben liebend gern gesammelt, dann musste es die größte Mickey-Mouse-Hefte-Sammlung sein oder die größte Autogrammkartensammlung, wir wollten immer alles ganz umfassend haben." Das war auch bei den Briefmarken so, die in der größten Briefmarkensammlung münden sollte: "Nicht so, wie der Briefmarkensammler gerne alle Briefmarken je ein mal hätte, das hat uns nicht gereicht. Es hat uns nicht gestört, dass wir von der 60-Pfennig-Marke nach Jahren 7000 Stück zusammengesammelt hatten." Und es musste die größte Zigarettenschachtelsammlung werden: "Wir haben Zigarettenschachteln gesammelt, aus denen wir ganze Burgen gebaut haben." Eine Wand in ihrem Kinderzimmer: von oben bis unten bedeckt mit Zigarettenschachteln. Und die Wand daneben begann sich ebenso stetig zu füllen, 40 000 bis später 50 000 Zigarettenschachteln brauchten ihren Platz. "Wir sind als Zehnjährige um die Häuser gezogen, wir haben die Schachteln aus den Mülleimern geholt, wir sind mit Tüten stinkender Zigarettenschachteln nach Hause gekommen, und in der Nachbarschaft gab es einen Kiosk, der Besitzer hat die Schachteln ganz vorsichtig aus den Zigarettenstangen gelöst, damit das Stangenpapier intakt blieb und wir die Schachteln zuhause wieder in das Stangenpapier zurück sortieren konnten, so ließen sie sich besser stapeln, zwei Jahre ging das", sagt Gerrit und macht mit den Händen nach, wie sie damals die Schachteln ganz langsam zurück in das Stangenpapier eingeführt haben müssen, damit das Papier an den Seiten nicht reißt. Gerrit sagt: "Es war von Anfang an so, dass wir alle Sachen ein wenig zu spielerisch ernst genommen haben. Und so war es auch mit der Eisenbahn." Wobei sie auch jetzt auf ihre bewährte Aufteilung zurückgreifen: Frederik hat die Ideen und zwar eine nach der anderen; Gerrit setzt sie um (eine nach der anderen). So geht es Hand in Hand. Gerrit sagt: "Ich wollte zum Beispiel, dass die Autos nicht wie bei einer klassischen Modelleisenbahn einfach herumstehen, sie sollten fahren – jedes einzelne einzeln und zwar computergesteuert." So wie auch in jedem Haus und an jeder Straßenlaterne und an jedem Lichtmast die dort dort brennende Lampe oder Leuchte computergesteuert sich ein- und wieder ausschalten lassen sollte. "Es sollte ja keine Modelleisenbahn werden wie in einem Hobbykeller, nur in groß", sagt Gerrit, "es sollte eine Welt im Kleinen sein, mit all ihren Geschichten, auch um die ganze Familie zu erreichen." Eisenbahn allein werde schnell langweilig. Gerrit sagt: "Elektrotechnisch und mechanisch konnte ich wenig, aber wenn man hochmotiviert ist, kann man sich alles beibringen. Und das ist mir zum Glück auch geglückt." So tickt Gerrit. Der so auch manche Nacht verbringt. Nicht nur hier, im Miniatur Wunderland. Sondern auch sonst. Da war etwa die Sache mit dem Schnee: Es war Winter, tiefster Winter dem Kalender nach, aber draußen lag kein Schnee, schon das zweite Jahr nicht. Und Gerrits Kinder wollten rodeln, und er wollte auch mit den Kindern rodeln, wie man das im Winter so macht. Und er setzt sich hin und überlegt. Bestellt nicht einfach eine Schneekanone (wo eine Turbine mit eigens vorgekühltem Wasser ackert), aus dem Internet, die dann ins Haus geliefert wird und alles geht seinen Gang. Stattdessen müsste es doch möglich sein, mittels eines Hochdruckreinigers Schnee zu erzeugen, wenn nur die Düsen im richtigen Abstand zueinander ständen, dass der richtige Luftdruck und der richtige Wasserdruck beim richtigen Grad an Luftfeuchtigkeit bei zwei Grad Minus Außentemperatur zusammenkämen, für Schnee aus dem Wasserhahn, sozusagen. Wenn man nur die richtigen Düsen hätte! Also: hat. Nächtelang studiert er Baupläne, bestellt sich Düsen, mit denen es funktionieren müsste, aber die Düsen, die per Post eintreffen, sind nicht fein genug, sind ungeeignet und neue Düsen müssen her, er bekommt sie aus den USA. Und es klappt. Und er kann echten Pulverschnee machen. Gerrit sagt: "Ich kriege das hin, nicht, weil ich so schlau bin. Sondern ich kriege es deswegen hin, weil ich nicht aufgebe." Und er baut noch aus Findlingen und größeren Steinen im Garten einen soliden Hügel, damit die Kinder aus drei Metern Höhe herab rodeln können, meist kommt bald die halbe Nachbarschaft hinzu und es wird ein großer Spaß. Zehn Kubikmeter Schnee braucht es, was acht Stunden dauert, also eine Nacht, er sitzt daneben, achtet darauf, das keine seiner Düsen dann vielleicht doch einfriert: "Aber das stört mich nicht, die acht Stunden Schneemachen, das ist für mich wie Meditation." Nur schade, dass Frederik damals nicht dabei war, nicht mit plante und werkelte und hoffte und bangte, das wäre schön gewesen, obercool. Denn ihre Frauen haben sich jeweils gewünscht, dass sie nicht wie gewünscht, nebeneinander oder gar im gleichen Haus wohnen. "Wir sind jetzt räumlich getrennt, was uns nicht so gut gefällt", sagt Gerrit. Vierzig Minuten Fahrzeit haben sie nun vom einen zum anderen. "Was dazu führt, dass wir uns außerhalb des Wunderlandes nur sehr wenig sehen." Obwohl – "Ich bin jetzt 49 und habe erst sehr spät angefangen über mich selbst nachzudenken", sagt Gerrit. "Weil, wenn man es sein Leben lang gewohnt ist, dass man ein Zweier-Pack ist, wenn es immer heißt 'Die Zwillinge!', wenn man häufiger in seinem Leben angesprochen worden ist mit 'Wollt ihr?' und nicht mit 'Willst du?', dann dauert es, bis man kapiert, dass man ein Individuum ist." Und da habe die räumliche Trennung geholfen. Gerrit sagt: "Es ist bis heute ein besonderes Gefühl für mich, ganz allein zu sein." Und er fange an, das zu genießen. Und sie haben ja dennoch und trotzdem und eben ihr Miniatur Wunderland und die To-do-Liste dafür ist lang und die Wunschliste ist noch viel länger. "Wenn man etwas zu zweit macht, wird es leichter. Und wenn man verliert, steht man nicht so schlecht da, wie wenn man alleine verliert. Wobei: 'Verlieren war nie auf unserer Agenda'", sagt Gerrit. Der sich manchmal durchaus fragt, ob das, was sie gemacht haben, was sie machen und was sie noch machen werden, nicht schlicht verrückt ist. Etwa die Art, wie sie ihr Unternehmen führen; längst sind aus den anfänglich zwanzig Mitarbeitern erst hundert, dann zweihundert und nun aktuell 360 Mitarbeiter geworden. Ihre Parole, ihr Motto: 'Wirtschaftlichkeit durch Unwirtschaftlichkeit'. Also: Ein Mitarbeiter möchte ein Stück Wald so perfekt modellieren, wie es nur geht – soll er. "Und wenn jemand kommt und sagt 'Seid ihr bescheuert, ihr wollt den eine Woche dafür bezahlen, dass der sowas macht, was man hinterher gar nicht sieht?', dann sage ich: 'Ja.' Denn der Mitarbeiter ist dabei und hinterher echt glücklich. Und er ist stolz auf sein Werk", sagt Gerrit. Und das stecke an. Mag sein, dass der Besucher all die Arbeit, Mühe und Liebe in dem Stück Wald nicht erkennt – zunächst. "Aber unser Gehirn ist in der Lage, diese angeblichen Nebensächlichkeiten zu erkennen", sagt Gerrit. Gerrit sagt: "Und uns ist es wichtig dass die Mitarbeiter glücklich sind." Das gelte ja für ihn auch. Und für seinen Zwillingsbruder: "Ich kenne das selbst: Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann will ich das machen. Wenn man mich nicht lässt, dann werde ich unglücklich. Wenn man mich aber lässt ..." Und es zu ermöglichen, so zu arbeiten, sei doch viel wichtiger als mit seinen Mitarbeitern Zielvereinbarungen zu schließen, wie man heute so sagt. "Wenn man ein Ziel vereinbaren will, dann muss man sich hinsetzen, um zu planen, und später muss man das Ergebnis kontrollieren – für mich sind beides absolute Kreativitätstöter", sagt Gerrit. Der sich in diesem Moment an sein Vorhaben erinnert, in Zukunft wieder mehr durch sein Miniatur Wunderland zu schlendern, mehr mit jedem einzelnen Mitarbeiter zu reden, ihnen zuzuhören, bei ihnen zu sein, mitten unter ihnen, einfach so. "Wir haben das Bundesverdienstkreuz bekommen, und ich habe mich so gefreut! Aber eine Woche später war das Gefühl weg", sagt er noch. Oder als sie zum "Unternehmer des Jahres" gekürt wurden: "Wir waren sehr stolz, aber dann habe ich gesagt: 'Wir sind doch gar keine Unternehmer!'." Und er ruft jetzt fast euphorisch aus: "Wir schmeißen halbjährig unseren Masterplan über den Haufen! Und täglich unseren Tagesplan!" Er reckt den rechten Zeigefinger in die Luft, als stände er im Freien und wolle prüfen, woher der Wind gerade weht: "Ich weiß zu Null-Komma-Null-Prozent, wie gerade unsere Kostenstruktur ist – ich habe da eine Ahnung, das reicht mir." Und er wird noch einmal kurz ernst, erzählt, dass ihnen pro Woche zwei, manchmal drei Angebote zuflattern (aus den Golfstaaten, aus Amerika, aus China natürlich, aber auch aus Korea), dass man ihnen das Miniatur-Wunderland abkaufen würde oder sie einlädt, anderen Ortes ein nächstes zu errichten, Geld spiele keine Rolle, und sie sagen immer wieder ab, sie gehen nicht weg, warum auch. "Wir sind auch das Wunderland", sagt Gerrit und lächelt nun versonnen. "Wir versuchen die Realität da draußen darzustellen, aber wir sind ja auch ein eigenes Land." Und so könnten sie ja mal einen Schritt weitergehen: "Wir könnten mal ein wenig mehr veröffentlichen, welche Regierungsform bei uns vorherrscht und wie es kommt, dass unsere Figuren eigentlich alle ganz zufrieden und glücklich aussehen." Irgendwann werden sie das verraten. Vielleicht in zwanzig Jahren. Oder in vierzig Jahren. Oder vielleicht: im nächsten Jahr. Miniatur-Wunderland: Kehrwieder 2-4, Block D, Hamburger Speicherstadt; auf der Seite www.miniatur-wunderland.de kann man sich auch über zu erwartende Wartezeiten informieren. |